Pflanzenwelt der Wiesen

Wiesen

Pflanzenwelt der Wiesen

Die Pflanzenwelt der Wiesen – Wo Töpfe klappern und Steine brechen

Zottiger Klappertopf (Rhinanthus alectorolophus) auf einer Kölner Streuobstwiese. Als Halbparasit zapft er die Wurzeln benachbarter Gräser an. Bild: Volker Unterladstetter

Haben Sie schon einmal vom Bocksbart gehört? Vom Klappertopf? Oder wenigstens vom Knöllchen-Steinbrech? Nein? Aber zumindest die Glockenblume dürfte Ihnen doch noch vertraut sein? Auch nicht? Kein Wunder, wenn Sie bei diesen Namen keine Bilder mehr vor Augen haben. Denn die meisten Wiesenblumen sind längst auf dem Rückzug, es gibt sie kaum noch im Rheinland. Die Chance, bei einem Spaziergang durch die nähere Umgebung auf einen Klappertopf zu treffen, liegt bei nahezu Null. Ein Lottogewinn wäre ähnlich wahrscheinlich. Und dabei gäbe es gleich drei Arten von Klappertöpfen, die theoretisch auf Wiesen im Rheinland vorkommen könnten: Der Zottige Klappertopf, und seine beiden Brüder, der Kleine und der Große Klappertopf. Die Verwandtschaft sieht man ihnen deutlich an. Alle haben sie zitronengelbe Rachenblüten, die ein bisschen an ein Löwenmäulchen erinnern. Mit ihnen locken sie von Juni bis Juli nektarsuchende Hummeln an. Früher wusste die Ackerhummel von Welt, wo sich ausgedehnte Klappertopf-Bestände finden lassen. Heute haben aber wohl auch Hummeln längst verlernt, wie schmackhaft Klappertopf-Nektar sein kann. Wahrscheinlich kennen sie ihn nur noch aus alten Hummel-Legenden.

Der Bocksbart ist immerhin noch nicht ganz so rar wie die Klappertöpfe. Mit seinen großen gelben Korbblüten lugt er immer noch hier und da aus extensiv bewirtschafteten Wiesen hervor. Wer ihn sehen will, muss sich allerdings ein wenig sputen, denn um die Mittagszeit macht er seine Blüten bereits wieder zu. Der Bocksbart ist augenscheinlich ein Frühaufsteher. Bemerkenswert ist auch, was nach der Blüte passiert. Wenn die Hüllblätter sich wieder öffnen, entfaltet sich eine riesengroße Pusteblume. Jeder Same ist an einem kunstvollen Federschirmchen befestigt. Bei einem Windstoß fliegen sie dann kreuz und quer über die Wiese. Zwar gehört der Bocksbart nicht zu den Fernfliegern, da seine Samen relativ schwer sind. Einige Meter überwindet er aber mit Leichtigkeit. Und das muss er auch, denn zur Keimung ist er auf kleine offene Bodenbereiche in der Wiese angewiesen.

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Kleines Pflänzchen mit starkem Namen

Blüht im April auf mageren Wiesen: Der Knöllchen-Steinbrech (Saxifraga granulata). Ob er wirklich Steine brechen kann? Bild: Volker Unterladstetter

Kommen wir zum Knöllchen-Steinbrech, einem weiteren Vertreter aus der Kategorie: Adresse unbekannt/ verzogen. Früher, ja, da war doch zumindest auf den Wiesen noch so Manches besser. Da gehörte der Steinbrech zu den ersten Blumen, die im Frühjahr ihre Blütentriebe in die kühle Aprilluft hinausstreckten und manche Wiese mit weißen Tupfern schmückten. Ist die Blütezeit vorbei, ziehen auch die zarten nierenförmigen Blättchen schnell ein, und bald ist von der Pflanze nichts mehr zu sehen. Gar nichts? Nun, wer sich die Standorte merkt, wird vielleicht mit etwas Glück winzig kleine Kügelchen finden. Es sind Brutzwiebelchen, die sich in den Achseln der Grundblätter bilden. Durch diese Knöllchen kann sich der Steinbrech auch vegetativ vermehren. Vielleicht werden sie durch die Mahd auf der Wiese verteilt und sorgen so für die Ausbreitung der Art. Ganz offensichtlich nützen aber auch die schönsten Brutzwiebelchen nichts, wenn Wiesen immer öfter gemäht und mit Kunstdünger getränkt werden. Und so ist die liebenswerte weiße Blume aus dem Rheinland fast verschwunden.

Neu angelegte Glatthaferwiese in Köln-Lindenthal. Blühende Wiesen bis zum Horizont statt Raseneinfalt. Ein Vorbild? Bild: Volker Unterladstetter

Klappertopf, Bocksbart, und Steinbrech. Drei Einzelschicksale? Mitnichten. Sie stehen stellvertretend für viele weitere Pflanzenarten der Wiesen, die im Rheinland im Verschwinden begriffen sind. Was gäbe es nicht alles noch über sie zu berichten? Und die ulkigen Namen erst! Doch wenn sich an der gegenwärtigen Landnutzung nichts ändert, werden diese Namen bald nur noch in alten Büchern zu finden sein. Hier sind Landwirte ebenso in der Pflicht wie Kommunen, Unternehmen (Stichwort: naturnahes Firmengelände) und nicht zuletzt auch Gartenbesitzer. Überall, wo heute Grasland existiert, könnte es ein wertvoller Lebensraum sein. Nicht nur für Klappertopf und Co. Das setzt aber voraus, dass wir unsere Handlungsweisen hinterfragen. Muss landwirtschaftliches Grünland fünfmal jährlich gemäht werden? Müssen öffentliche Grünanlagen Hektarweise Rasenflächen aufweisen, oder könnte man nicht als Gestaltungselement auch Wildblumenwiesen integrieren? Anstatt Straßen- und Wegränder „runterzumulchen“, könnten sie zu wertvollen Lebensadern weiterentwickelt werden. Fördern wir zur Abwechslung mal den Fernverkehr bei Insekten.

Hingucker Gartenwiese

Einmal „Bunte Wiese“ zum Selber-Machen!

Auf den Projektflächen der Naturschutzstation jedenfalls konnten in Köln und Leverkusen bereits einige neue Lebensräume geschaffen werden. Das freut dann nicht nur Klappertopf, Bocksbart und Steinbrech, sondern auch unzählige andere Pflanzen- und Tierarten. Und wer weiß, vielleicht haben ja auch Sie – ja, genau Sie! – noch ein bisschen Platz im Garten. Eine Blumenwiese ist der Stolz eines jeden Gartens, und die Krönung der Gärtnerkunst. Probieren Sie es aus!

Ökologischer Wert

Wiesen

Ökologischer Wert von Wiesen und Weiden

Biologische Vielfalt auf Weltklassenivaeu

Artenvielfalt ist die harte Währung im Naturschutz. Ökosysteme sollten möglichst viele verschiedene Lebensformen unterstützen, lehrt uns die Ökologie. Je mehr, desto besser. Aber so einfach das klingt – draußen in freier Wildbahn ist diese Artenvielfalt manchmal gar nicht so leicht zu entdecken. Im nahen Buchenwald sieht man zunächst mal, nun ja…, Buchen. Und die alte Bahnhofsbrache um die Ecke bietet auf den ersten Blick auch nicht viel mehr als Brombeeren, Gleisschotter und verfallene Gebäude aus glücklicheren Tagen der Deutschen Bahn. 

Anders verhält es sich dagegen bei den artenreiche Wiesen. Hier springt die Vielfalt auch naturwissenschaftlich nicht vorgebildete Menschen geradezu an. Denn Wiesen sind bunt, vielfältig strukturiert und voller Leben: Es krabbelt, klettert, springt, flattert, zirpt, summt und brummt auf allen Etagen. Und das sind „nur“ die Vertreter der ca. 44.000 einheimischen Arten von Wirbellosen, von denen die meisten auch in Graslandökosystemen leben. Hinzu kommen noch Hunderte von Gefäßpflanzenarten und Moosen, außerdem einige Dutzend Vögel und Säuretiere. Gerade im Bereich der Vögel finden sich viele Offenlandarten, die auf artenreiches Grasland angewiesen sind. In Köln und Leverkusen zählen dazu etwa Wiesenpieper und Schwarzkehlchen.

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Kleine Fläche, große Vielfalt

Artenreiche Bergwiese im Schwarzwald. Sahen unsere Wiesen im Rheinland auch einmal so aus? Bild: Volker Unterladstetter

Die eigentliche Vielfalt von Wiesen beginnt bei den Primärproduzenten der Ökosysteme, den Pflanzen. Auch hier sind die Zahlen bemerkenswert. Eine der artenreichsten Wiesen der Welt wurde in Tschechien untersucht. Dort hat man einen Plot von nur 0,25 Quadratmetern abgesteckt und alle Pflanzenarten gezählt, die darin vorkommen. Das Resultat ist kaum zu glauben: Rund 44 Arten wuchsen auf dem Viertel eines Quadratmeters einträchtig beisammen. Auf einer anderen Untersuchungsfläche (ebenfalls in Tschechien) fand man auf 49 Quadratmetern genau 131 Gefäßpflanzenarten. Das wären immerhin fast ein Zehntel aller im Kölner Stadtgebiet vorkommenden Pflanzenarten (etwa 1.500; Stand 2015), und das auf der Fläche eines besseren Vorgartens. Wiesen sind damit potenziell offene Systeme, die Zahl ihrer Organismen nach oben hin steigerbar.

Besonders eindrucksvoll wird dies durch das Jena-Experiment belegt, in dem seit 2002 auf einer Fläche von 10 Hektar das Modellökosystem Wiese untersucht wird. Die bisherigen Befunde des Experiments sind eindeutig: Artenreiche Wiesen mit vielen verschiedenen Pflanzen sind nicht nur produktiver als artenarme (erzeugen also mehr Biomasse). Sie führen auch zu einer höheren Vielfalt bei Tieren und Mikroorganismen (Vielfalt bedingt Vielfalt), sind stabiler gegenüber Störungen (Resilienz), und erbringen höhere Ökosystemleistungen als artenarme Bestände (zum Beispiel, indem sie das Auswaschen von Stickstoffverbindungen ins Grundwasser minimieren).

Kurze Geschichte der Streuobstwiesen

Streuobst

Kurze Geschichte der Streuobstwiesen

Als die Äpfel und Birnen ins Rheinland kamen…

Der Obstbau in Mitteleuropa reicht mindestens 2.000 Jahre zurück. Wie so oft waren es die Römer, die hier mutmaßlich die ersten Impulse setzten. Als die Legionäre (in Sandalen?) über die Alpen marschierten, hatten sie die ersten Kultursorten von Apfel, Birne und Co. im Gepäck. Die Römer hatten die Auslese und Vermehrung besonders schmackhafter Sorten ihrerseits von den Griechen übernommen, die sie ihrerseits von den Persern hatten usw. (die Kaskade setzt sich im Falle des Apfels bis in die zentralasiatischen Gebirgszüge im heutigen Kasachstan fort, wo die ersten Ur-Äpfel wuchsen und noch heute wachsen).

Nicholas Roerich (1930) „Frühling in Kulu“ (public domain). Künstlerische Darstellung von Krishna vor einer Bergkulisse mit blühenden Rosengewächsen. Die Bergwelt Zentralasiens ist die Heimat von Sievers Apfel (Malus sieversii), dem Urahn unserer heutigen Kulturäpfel. Lauschte er einst Krishnas Flötenspiel?

Als die Römer zu Beginn der Völkerwanderzeit ihre alten Provinzen im Rheinland aufgeben mussten, geriet die Obstkultur zunächst wieder in Vergessenheit, jedoch nicht vollständig. Es waren die Klöster und Krongüter, in denen die Kulturtechniken weiter praktiziert wurden. Besonders berühmt wurde die Landgüterverordnung Capitulare de villis von Kaiser Karl dem Großen, in der er detaillierte Reformen im Garten- und Landschaftsbau formulierte und erste Obstsorten namentlich benannte, die auf seinen Gütern gepflanzt werden sollten. In den folgenden Jahrhunderten entstanden in ganz Mitteleuropa, vorwiegend aber in Frankreich und England, die ersten Kultursorten von Äpfeln und Birnen, die bis in die Gegenwart überdauert haben (zum Beispiel die Borsdorfer Äpfel, der Königliche Krummstiel oder die Wintergoldparmäne).

Exkurs: Der Borsdorfer

Urapfel des Mittelalters

Er ist ein lebendes Fossil unter unseren Apfelsorten: der Borsdorfer. Genauer gesagt handelt es sich gar nicht um eine einzelne Sorte, sondern um eine ganze Gruppe von Kulturäpfeln. Der bekannteste unter ihnen ist der Edelborsdorfer: Klein, flachrund gebaut, und hier und da mit einer kecken Warze auf der goldgelben Backe. Die historische Abbildung (oberer Apfel) stammt aus Johann Prokop Mayers Pomona Franconia (1776 – 1801, public domain).

Die ersten Nachweise des Borsdorfers datieren je nach Quelle bis ins 12. Jahrhundert zurück. Sein Ursprung wird im Saaletal angenommen, vielleicht geht er auf den Ort Borsdorf nahe Meißen zurück. Malen wir uns also aus, wie die deutschen Fürsten und Ritter, die Bischöfe und Mönche im Hoch-Mittelalter zur Vesperzeit in einen Borsdorfer bissen – in einen Apfel des selben Baum-Individuums, das bis heute auf immer neue Unterlagen veredelt auf mancher Obstwiese weiterlebt. In der Potsdamer Alexandrowka-Kolonie steht gar ein mutmaßlich knapp 200 Jahre alter Baum des Herbstborsdorfers. Scheinbar unbeeindruckt hat er sämtliche Weltkriege und Systemwechsel überdauert.

Das 19. Jahrhundert gilt allgemein als Höhepunkt der Sortenvielfalt in Mitteleuropa. Allein etwa 2.000 Apfelsorten soll es um diese Zeit im deutschsprachigen Raum gegeben haben – bei weitem zu viele, um nicht den Überblick zu verlieren (zumal nahezu alle Sorten unter zahlreichen Synonymen und regionalen Namen bekannt waren). Im Zuge der zunehmenden Technisierung und wachsender Absatzmärkte im In- und Ausland wurde die schier unüberschaubare Sortenvielfalt immer mehr als Problem angesehen. Wo die entstehenden Pomologenvereine zunächst Zusammenschlüsse von passionierten Obstliebhabern aus der oberen Gesellschaftsschicht waren (so tummelten sich viele Lehrer, Pfarrer und Apotheker im Pomologen-Kosmos),  drängten gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch die (klein)bürgerlichen Schichten in diese Kreise vor. Der daraus entstehende moderne Gartenbau wandte sich bald einer gänzlich anderen Richtung zu, als es die Sortenliebhaberei des 19. Jahrhunderts im Sinn hatte. Die Produktionsbedingungen im Obstbau hatten sich nun der maschinellen Ernte und Verarbeitung anzupassen. Man begann damit, das Sortensortiment zu vereinheitlichen und radikal zu vereinfachen. Anstelle der alten Sortenflut sollten wenige Dutzend Sorten die überregionale Vermarktung fördern und neue Absatzmärkte erschließen. Damit war nicht nur die genetische Vielfalt der alten, über viele Jahrhunderte ausgelesenen Sorten in Gefahr. Auch der landschaftsprägende Anbau von hochkronigen Obstbäumen wurde als nicht mehr zeitgemäß angesehen. An seine Stelle wurde der Anbau auf sogenannten Niederstammplantagen entwickelt.

Abgängiger Baum auf einer Streuobstwiese. Mangelnde Pflege infolge mangelnder Wertschätzung. Für den Naturschutz sind solche Totbäume nur ein kurzfristiger Gewinn. (Foto: NABU/ Rolf Jürgens)

So effizient diese Plantagen produzieren mochten, sie taten es fortan nur noch unter dem massiven Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden. Zu groß, zu monoton, zu krankheitsanfällig waren die modernen Obstplantagen, um ohne Chemie auszukommen. Wo früher Steinkauz, Grünspecht und Gartenrotschwanz in den Höhlen alter Obstbäume brüteten, wo zahllose Kräuter die Wiesen und Weiden mit bunten Blütentupfern schmückten, wo Myriaden von Insekten summten und krabbelten, standen nach den großen Flurbereinigungen und Rodungen der 1950er bis 1970er Jahre nur noch endlose Reihen makelloser Obstbüsche.

Die Agrochemie hatte das alte Kulturlandschaftsbild völlig verändert, und sie tut es bis heute. Wo heute noch Streuobstwiesen überdauert haben, sind sie das Ergebnis eines wachsenden Naturschutzinteresses. Unter globalen Marktbedingungen sind sie längst nicht mehr wirtschaftlich. Und doch besitzen Streuobstwiesen einen Wert, der mit Geld nicht aufzuwiegen ist: Sie sind ein Hort der Vielfalt, ein Gen-Reservoir, und eine Liebeserklärung an unsere Landschaft.

Wiesentypen

Wiesen

Kleines 1×1 der Wiesentypen

Fettwiese, Glatthaferwiese, Blühwiese?!

Eine Glockenblume macht noch keine Wiese. Glockenblumen fühlen sich in vielen Wiesentypen wohl. Nur mager sollten sie sein. Bild: Volker Unterladstetter

Wiesen! Allein der Klang des Wortes ist reine Poesie. Bilder von Gräsern und bunten Blumen, die sich sanft im Winde wiegen. Das Konzert von Grashüpfern und Grillen. Farbenfrohe Gaukler der Lüfte, die von Blüte zu Blüte flattern. Doch ist Wiese nicht gleich Wiese. Wer sich ein wenig genauer mit dem Thema beschäftigt, wird schnell feststellen: das Feld ist weit. Viele verschiedene Begriffe schwirren durchs Internet: Fettwiesen, Glatthaferwiesen, Schmetterlingswiesen, Blühwiesen. Der kreativen Namensgebung scheinen keine Grenzen gesetzt. Zeit also, an dieser Stelle ein wenig Licht ins Dunkel der babylonischen Namensverwirrung zu bringen.

Wiesen lassen sich auf verschiedene Weise beschreiben. Wir können grob zwischen Standortfaktoren, Bewirtschaftungsfaktoren und Klassifizierungen aufgrund der vorkommenden Pflanzenarten unterscheiden. Am naheliegendsten ist wohl, sich zunächst einmal anzuschauen, welche Pflanzenarten auf einer Wiese wachsen. Wenn ich eine Glockenblume finde, habe ich dann eine „Glockenblumenwiese“ vor mir? Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die meisten Wiesenkräuter finden sich auf ganz unterschiedlichen Wiesentypen. Ob also Margeriten oder Rot-Klee auf einer bestimmten Wiese wachsen, sagt uns zunächst einmal wenig über den Wiesentyp aus. Ihre Verteilung spiegelt weniger einen bestimmten Standort wieder, als vielmehr eine individuelle Abstammungsgeschichte der jeweiligen Pflanze vor Ort.

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Von fetten Wiesen…

Kunterbunte Fettwiese im Frühsommer. Es posieren Zaun-Wicke, Scharfer Hahnenfuß, Spitz-Wegerich und Wiesen-Bocksbart. Bild: Volker Unterladstetter

Wie eine Wiese floristisch beschaffen ist, wird maßgeblich durch den Bodentyp, das Klima und die mittlere Höhe des Grundwassers beeinflusst. Auf Standorten mit tiefgründigen Braunerdeböden (z.B. den Lößböden der linksrheinischen Mittelterrasse) ist die Nährstoffversorgung in der Regel gut ausgeprägt, hier wachsen die sog. nährstoffanspruchsvollen Pflanzengesellschaften der Fettwiesen. „Fett“ meint in diesen Zusammenhang einen guten Boden und ist kein negativer Begriff. Aus den eigentlichen Fettwiesen der vormodernen Zeit wurden in den letzten Jahrzehnten allerdings meist Fettwiesen ganz anderer Art: Dort, wo mit Kunstdünger und Gülle intensive Landwirtschaft betrieben wurde, konnten sich oft nur wenige Kräuter und Gräser halten. Diese „fetten Fettwiesen“ der modernen Agrarindustrie haben mit den alten Fettwiesen kaum noch etwas gemein. Hier darf also ruhig die Nase gerümpft werden.

…und weniger fetten

An Standorten mit anderen Bodenbedingungen, z.B. auf Sandböden oder Rohböden verschiedener Art, entwickelten sich Grünlandgesellschaften, die einst lernen mussten, mit wenigen Nährstoffen auszukommen. In diesem Fall haben sich sogenannte Magerwiesen (oder Magerrasen) gebildet. Sie gehören zu den artenreichsten Wiesentypen und sind heute in besonderem Maße durch Aufdüngung bzw. atmosphärische Stickstoffeinträge bedroht. Tatsächlich hat die „Grüne Revolution“ in der Landwirtschaft zu einer Verschiebung der Begriffe „fett“ und „mager“ geführt. Heute sind selbst magere Lebensräume durch die veränderten Stoffkreisläufe deulich „fetter“ als früher, so dass die Fettwiesen von einst heute eher als Magerwiese durchgehen müssten. Die „mageren Magerwiesen“ der vormodernen Zeit kann sich heute eigentlich niemand mehr so richtig vorstellen.

Aalglatter Wiesenkönig

Trockene Glatthaferwiese im Kölner Bürgerpark. Die langen grazilen Rispen des Glatthafers thronen über den Dingen und wiegen sich bedächtig im Wind. Bild: Volker Unterladstetter

Doch was hat es nun mit der ominösen Glatthaferwiese auf sich? Wir haben bereits gesehen, dass die meisten Pflanzenarten im Grünland in unterschiedlichen Wiesentypen vorkommen. Aber eben nicht alle. Der Glatthafer, ursprünglich wohl ein Franzose mit Migrationshintergrund im 18. Jahrhundert, ist ein wählerischer Geselle. Mit seinen schlanken, hoch aufwachsenden Rispen thront er im Sommer wie ein König über all den anderen Gräsern. Dem Gräserkönig gefällt es allerdings nur auf gut mit Nährstoffen versorgten trockenen bis frischen Böden im Flachland (also den klassischen Fettwiesen). In den Bergen ist es ihm zu kalt, und wenn er regelmäßig von Tieren abgefressen wird, streicht er ebenfalls die Segel. Nach ihm sind daher die typischen Fettwiesen des Flachlands auf nicht allzu feuchten Böden benannt, denn nur dort herrscht er über einen bunten Hofstaat aus Kräutern und Gräsern.

Von den Begriffen Fettwiese, Glatthaferwiese und Co., die allesamt in der Ökologie bzw. in der Vegetationskunde gebräuchlich sind, unterscheiden sich umgangssprachliche Begriffe wie Blumenwiese, Blühwiese oder Schmetterlingswiese. Sie sind nicht trennscharf und werden in der allgemeinen Debatte um die schwindende Artenvielfalt eher dazu benutzt, die ökologische Qualität von Wiesen zu beschreiben. Eine „Blühwiese“ soll halt im Sommer ordentlich blühen, und nicht nur aus Gräsern bestehen. Dieser Wunsch ist gerade im Bereich Garten und Öffentliches Grün völlig in Ordnung. Botaniker und Ökologen werden über diese Begriffe allerdings eher schmunzeln und sich in ihren Fachkreisen weiterhin nach den Glatthafer-, Fett- und Magerwiesen der alten Zeit sehnen.

Schutz und Entwicklung

Wiesen

Schutz und Entwicklung von „altem“ Grasland

Schätze von unschätzbarem Wert

Die Wiederherstellung von Ökosystemen ist momentan schwer in Mode. Und das ist nicht verwunderlich bei all der Naturzerstörung der letzten Jahrzehnte. Sind die Ackerflächen ein bisschen zu lebensfeindlich geworden, bringen Blühstreifen die Natur flugs zurück. Und auch aus artenarmen Parkrasen lassen sich doch mithilfe von Regiosaatgut oder Mahdgutübertragung neue Stadtwiesen entwicklen? Oder etwa nicht? Nun, ganz so einfach ist die Reparatur degradierter Ökosysteme sicherlich nicht, wie Ökologen sehr gut wissen. Es braucht Zeit, bis die Wunden verheilen, die Monokultur, Chemie und Übernutzung geschlagen haben. 

Bei aller Euphorie um Blühstreifen, Wildblumenwiesen und Co. sollte daher nicht vergessen werden, dass auch in den dichtbesiedelten Ballungsräumen wie Köln-Leverkusen hier und da noch Graslandökosysteme aus alter Zeit überdauert haben. Meist sind es nur kleine Relikte: Hier eine Feuchtwiese, dort ein artenreicher Deichabschnitt. Doch wenn dort Pflanzen und Tiere kartiert werden, gelingen immer wieder aufregende Entdeckungen. Vielleicht wird eine Pflanzenart wiedergefunden, die in Köln und Leverkusen schon verschwunden geglaubt war, oder es lassen sich Verschiebungen in den Arealgrenzen beobachten.

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Artenreiches Grasland, so klein es auch sein mag, stellt eine entscheidende Ressource für den Artenschutz dar. Neben noch existierenden Populationen seltener Arten sind es vor allem die genetischen Ausprägungen und Genpools dieser Arten, die hier von besonderem Interesse sind. Wenn die Lebensräume nicht allzu klein und verinselt sind, können solche Restpopulationen unter geeigneten Bedingungen verlorene Lebensräume wiederbesiedeln. Und auch die Gewinnung etwa von Spendermahgut für die Neuanlagen von Wiesen an anderen Stellen ist eine Option, um die standortheimischen Arten bei einer Wiederausbreitung zu unterstützen.

Die Naturschutzstation arbeitet in Köln und Leverkusen aktiv am Erhalt bzw. der Förderung solcher Reliktwiesen. Viele der Flächen liegen in Naturschutzgebieten. Unser Leistungsspektrum reicht von der Unterstützung und Beratung der Fachämter, über Absprachen mit Landwirten und anderen Nutzergruppen, bis hin zu praktischer Biotoppflege.

Obstwanderwege

Streuobst

Obstwanderwege in Leverkusen und Umgebung

Zu Fuß durch Bergisch-Neukirchen, Leichlingen und Witzhelden

Dieses Projekt der NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln führt durch Streuobstwiesen in Leverkusen und Umgebung.

Die Wiesen mit den alten, großen Bäumen waren früher ein prägender Bestandteil unserer Landschaft. Sie dienten der Selbstversorgung mit Obst und stellten somit einen unverzichtbaren Bestandteil im Leben der Menschen dar. In den letzten Jahren mussten viele der alten Obstbäume groß angelegten Obstplantagen weichen. Allerdings bietet nur die alte Kulturlandschaft Streuobstwiese einen wichtigen Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten wie etwa Steinkauz oder Siebenschläfer und sind somit für uns unverzichtbar. Mit den Obstwanderwegen will die NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln auf diesen bedrohten Lebensraum aufmerksam machen und verdeutlichen, wie wichtig der Erhalt der Streuobstwiesen ist.

Unten finden Sie nähere Infos zu den drei Strecken. Bei der NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln, auf dem NaturGut Ophoven und bei der Stadt Leichlingen sind Wanderkarten erhältlich. Außerdem haben freundliche Wanderer in verschiedenen Internetportalen die Wege als GPS-Datei hinterlegt. Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

 

Willkommen auf dem Leichlinger Obstweg

Bei dem „Obstweg Leichlingen” handelt es sich um einen ausgeschilderten Wanderweg durch Hülstrung, Leysiefen und Bergerhof, der an vielen Obstwiesen entlangführt. Interessierte können dabei Spannendes und Wissenswertes über Streuobstwiesen und ihre Tier- und Pflanzenwelt lernen.

Länge

gesamt: 9 km (Möglichkeiten zur Abkürzung bei Bennert, auf Plan grün markiert)

Dauer:

ca. 3 Stunden bei gemütlichem Tempo

Wanderkarte

Willkommen auf dem Leverkusener Obstweg

Bei dem „Obstweg Leverkusen” handelt es sich um einen ausgeschilderten Wanderweg durch Opladen, Unterölbach und Atzlenbach, der an vielen Obstwiesen entlangführt. Interessierte können dabei Spannendes und Wissenswertes über Streuobstwiesen und ihre Tier- und Pflanzenwelt lernen.

Länge

9 km (Möglichkeit zur Abkürzung in Claashäuschen, auf dem Plan grün markiert)

Dauer:

ca. 2-3 Stunden bei gemütlichem Tempo

Wanderkarte

Willkommen auf dem Witzheldener Obstweg

Bei dem „Obstweg Witzhelden” handelt es sich um einen ausgeschilderten Wanderweg durch Krähwinkel, Holzerhof und Claasholz, der an vielen Obstwiesen entlangführt. Interessierte können dabei Spannendes und Wissenswertes über Streuobstwiesen und ihre Tier- und Pflanzenwelt lernen.

Länge

5 km (Möglichkeit zur Abkürzung bei Sieferhof, auf Plan grün markiert)

Dauer:

ca. 2 Stunden bei gemütlichem Tempo

Wanderkarte

Ökologischer Wert von Streuobstwiesen

Streuobst

Ökologischer Wert von Streuobstwiesen

Das große Gewimmel

Seitdem der Erhalt der letzten noch verbliebenen Streuobstbestände in den 1970er Jahren in den Fokus des Naturschutzes gerückt ist, überbieten sich Naturschutzverbände und Förderer der Streuobstkultur geradezu in ihren Zahlen zur Artenvielfalt auf Obstwiesen. Über 2.000, 3.000, ja sogar 5.000 Arten finden je nach Quelle ihre Heimat in den naturnahen Baumgärten. Ganz falsch sind solche Darstellungen sicher nicht, auch wenn es bis dato keine wissenschaftliche Erhebung zu geben scheint, die alle Artengruppen auf Streuobstwiesen vollständig erfasst hätte. 

Ein Großes Ochsenauge (Maniola jurtina) saugt Nektar an einer Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea). Wenn Streuobstwiesen eine artenreiche Krautschicht besitzen, finden Insekten auch nach der Obstblüte noch genug Nahrung. Bild: Birgit Röttering

Aber vielleicht ist das auch gar nicht nötig. Denn wer einmal auf einer blühenden Streuobstwiese unterwegs ist, wird den Beweis ihrer ökologischen Bedeutung bald mit allen Sinnen erfassen.  Sobald im Frühjahr die prallen Knospen der Obstbäume aufbrechen, ist die Luft erfüllt von einem stetigen Summen und Brummen. Unzählige Bestäuberinsekten schwirren dann emsig durch ein weißes Blütenmeer. Hummelköniginnen, Frühlingsschwebfliegen, erste Tagfalter und ein unüberschaubare Menge weiterer Insekten teilen sich diesen Lebensraum, in dem Nektar und Pollen im Überfluss vorhanden sind. Und auch die Honigbiene leistet ihren Beitrag zur erfolgreichen Bestäubung der Blütenpracht. Gerade im Zusammenspiel zwischen dem Nutztier Honigbiene und der Vielfalt an wilden Bestäubern entwickeln sich später im Jahr qualitativ besonders hochwertige und wohlgeformte Früchte.

 

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Im Frühjahr kehren auch viele andere Bewohner auf die Obstwiesen zurück. Zugvögel wie der Gartenrotschwanz beginnen mit ihrem Brutgeschäft, sobald die alte Baumhöhle wieder hergerichtet ist. Andere Vögel wie Grünspecht und Steinkauz sind den Winter über gar nicht fort gewesen. Beide Arten beginnen ihre Balz bereits im Spätwinter und setzen sie bis in den Frühling fort. Wenn die Partnersuche erfolgreich war, findet ab April die Eiablage statt – bevorzugt in den Höhlen alter Obstbäume. Bei Untersuchungen zur Avifauna von Obstkulturen wurde festgestellt, dass Streuobstwiesen im Schnitt dreizehnmal häufiger von Vogelarten angeflogen werden als moderne Niederstammplantagen.

Die hohe Attraktivität von Streuobstwiesen erklärt sich durch die große Vielfalt an Biotopstrukturen, die – wie im Falle der Baumhöhlen – nicht nur geeignete Habitate bereitstellen, sondern auch ein wahres Schlaraffenland an Nahrungsquellen bieten. Da ist für jeden das Passende dabei: Insekten und andere Kleintiere, Kräuter, Gräser, Sämereien und Beeren, und natürlich das Fallobst im Herbst und Winter.

Auch der Siebenschläfer (Glis glis) ist auf Streuobstwiesen zu Hause. Manchmal auch als „Hausbesetzer“. Beim NABU Leverkusen besitzt er sogar eine eigene Live-Cam. Bild: NABU/ Willi Mayer

Wenn im Frühsommer die Zeit der Obstblüte zu Ende geht, öffnen sich in der Krautschicht unter den Bäumen die ersten Wiesenblumen und bald ist das Grasland rund um die Bäume von unzähligen bunten Tupfern gesprenkelt. Nun beginnt die Zeit einer spektakulären Insektenvielfalt: Käfer in den schillerndsten Farben krabbeln über die Doldenblüten von Wiesen-Kerbel und Wiesen-Bärenklau, und Wildbienen summen in allen nur erdenklichen Frisuren von Blüte zu Blüte. Ihr Treiben wird von merkwürdigen kleinen Fliegen genau beobachtet. Wie rastlose Wollknäule bleiben die herrlich wuscheligen Wollschweber immer in Bewegung und schweben wie kleine Hubschrauber über den Dingen. Sobald sie ein Wildbienennest ausgemacht haben, schießen sie in einem unbeobachteten Moment aus dem Flug ihre Eier in das Loch.

Unzählige weitere Geschichten könnten hier erzählt werden. Über wuselige Ohrenkneifer, elegante Florfliegen, musizierende Heuschrecken, oder die majestätische blauschwarze Holzbiene, die ihre Brutröhren mit Vorliebe in das Holz morscher Obstbaumstämme gräbt. Von ganz unten bis ganz oben: Streuobstwiesen bieten ökologische Nischen auf allen Etagen. So werden sich manche Ameisen- und Baumwanzenarten wohl ihr ganzes kurzes Leben lang nicht über den Weg laufen – auch wenn sie das gleiche Ökosystem bewohnen.

Obstbaumpatenschaft

Streuobst

Obstbaumpatenschaft in Leverkusen

Ehrwürdige Greise freuen sich über Baumpaten mit Herz

In der heutigen agroindustriellen Landwirtschaft spielt die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen keine Rolle mehr. Dabei bilden gerade die alten Bäume eine unverzichtbare Lebensgrundlage für gefährdete Tierarten, wie beispielsweise Wendehals, Gartenrotschwanz oder Steinkauz. Bäume auf Streuobstwiesen sind typischerweise alte Sorten, die zu einer Zeit entstanden, als es noch keine professionelle Pflanzenzüchtung gab und die Idee von Patenten auf Leben bzw. Sortenschutz lukrativer Obstsorten unbekannt war. In Zeiten von Supermärkten und Äpfeln aus Neuseeland drohen all diese alten Obstbaumveteranen zu verschwinden, wenn sie nicht mit Hand und Herz weitergepflegt werden.

Die Naturschutzstation und die Stadt Leverkusen, Fachbereich Umwelt, bieten Ihnen die Möglichkeit, eine Patenschaft für einen unserer knapp 2.000 Baumgreise anzunehmen und so zum Erhalt alter Obstwiesenbestände in Leverkusen beizutragen. Ob Rheinischer Bohnapfel, Kaiser Wilhelm oder Ananas-Renette: Jeder Pate darf sich seinen ganz persönlichen „Baumrentner“ aussuchen. Eine Patenschaft erstreckt sich über mindestens 5 Jahre und kostet insgesamt 400 Euro. Mit Hilfe des jährlichen Patenbeitrags von 80 Euro können die Baumpfleger der Naturschutzstation die fachgerechte Pflege der Bäume sicherstellen. Die Patinnen und Paten erhalten im Gegenzug einmal jährlich die Möglichkeit, zusammen mit einem Mitarbeiter der Station die „Früchte ihrer Patenschaft“ zu ernten.

Und wer seinem Patenbaum ganz genau zuhört, wird vielleicht die ein oder andere Geschichte aufschnappen: Von einer Zeit, in der der Anbau von Obst der Landbevölkerung noch als Lebensgrundlage zur Selbstversorgung diente. In der Automobile und Traktoren noch eine Seltenheit waren. In der viele Menschen ihr Leben lang kaum über die Grenzen ihres Dorfes hinauskamen und damit ein Gefühl besaßen, das der Homo urbanus heute kaum noch kennt: Verwurzeltsein. Was gäbe es für ein schöneres Stichwort, um ein tiefgründiges Gespräch mit seinem ganz persönlichen Baumgreis anzufangen?

Nähre Informationen zum Patenschaftsprojekt für alte Obstbäume erhalten Sie bei der Naturschutzstation unter der Telefonnummer 02171 / 73499-16. Oder schreiben Sie uns ganz einfach eine E-Mail.

 

Lokale Obstsorten

Streuobst

Lokale Obstsorten

Rheinisch-bergische Originale neu entdeckt

So ganz genau kennt sie niemand, die Zahl der existierenden Apfel-, Birnen-, Kirsch- und Pflaumensorten. Doch eines wird schnell klar, wenn man sich mit historischen Sorten beschäftigt: Die Zahl muss gewaltig sein. Auf dem Höhepunkt der Sortenvielfalt, im ausgehenden 19. Jahrhundert, soll es allein etwa 2.000 verschiedene Apfelsorten im deutschsprachigen Raum gegeben haben. Kaum vorstellbar aus heutiger Sicht. Ebenso wenig vorstellbar erscheint uns auch die Tatsache, dass viele dieser historischen Sorten wohl schon für immer verschwunden sind. Manch andere Sorte scheint bereits verschwunden, mag aber noch irgendwo unerkannt in der Landschaft wachsen. Die Gruppe der Pomologen (Obstkundler) in Deutschland ist überschaubar, ihre Arbeit immens.

Historische pomologische Abbildung aus „Deutschlands Kernobstsorten“ von Johann Baptist Lexa von Aehrenthal (1777-1845).

Manche der in vormoderner Zeit entstandenen Obstsorten ist nie so recht über ihre Ursprungsregion hinausgekommen. Solche Lokal- oder Regionalsorten wurden typischerweise in geographisch begrenzten Kulturräumen angebaut und blieben dort erhalten, weil sie besonders widerstandsfähig waren, oder andere besondere Eigenschaften besaßen, die die Menschen schätzen. So wurden im Rheinland und im Bergischen Land etwa besondere Apfel- und Birnensorten angebaut, um sie zum regionaltypischen „Kraut“ zu verarbeiten.

Mit dem Niedergang des Hochstamm-Obstbaus in den 1950er bis 70er Jahren gerieten viele dieser ehemals weit verbreiteten und sehr beliebten Landsorten in Vergessenheit. Wer früher im Bergischen wohnte, kannte natürlich die Neukirchener Butterbirne oder den Bergischen Herrenapfel. In der Rheinebene wiederum waren Rheinisches Seidenhemdchen, Degeers Renette oder der Blaue Kölner keine Unbekannten. Dieses Wissen um die alten Sorten und ihre besonderen Vorzüge erodiert jedoch seit Jahrzehnten. Aktuell erleben wir, wie die allerletzte Generation von Menschen aus dem Leben tritt, die die alte Zeit der Streuobstkultur noch aktiv miterlebt hat. Für den Erhalt der alten Regionalsorten wird es damit höchste Zeit.

Bei der Betreuung der über 80 Streuobstbestände in Leverkusen und Köln legt die Station großen Wert darauf, wiedergefundene alte Lokalsorten nachzupflanzen und durch fachgerechte Pflege in situ zu erhalten. Die Altbestände in Leverkusen und Köln werden pomologisch erfasst, um noch vorhandene Standorte von lokalen Obstsorten zu identifizieren und zu sichern. Auf Anfrage können die Mitarbeiter der Naturschutzstation versuchen, von diesen Altbäumen Edelreiser zu gewinnen.

 

Sortenhandbuch

Die Naturschutzstation hat von 2008 bis 2016 an einem LVR-Projekt mitgearbeitet, in dem intensiv nach den alten Lokalsorten des Rheinlands gesucht wurde. Die Ergebnisse werden in dem äußerst lesenswerten Band „Lokale und regionale Obstsorten im Rheinland – neu entdeckt“ präsentiert (in der Station gegen Schutzgebühr erhältlich). Es beinhaltet rund 100 aufwendig erstellte Sortensteckbriefe von Äpfeln, Birnen, Kirschen, Pflaumen und Pfirsichen aus dem Rheinland.

Ernte & Vermarktung

Streuobst

Ernte & Vermarktung

Von der Wiese direkt auf den Tisch

Etikett des Rheinischen Streuobst-Saftes aus Köln und Leverkusen. Die Fünf-Liter-Kartons sind bei der Station erhältlich.

Um den nach wie vor erheblichen Verlust von Streuobstwiesen zu stoppen, gibt es eigentlich nur ein probates Mittel: Erhalten durch Aufessen. Beziehungsweise durch Auftrinken. Nur wenn die typischen Erzeugnisse der Baumgärten vermehrt angeboten und klug vermarktet werden, kann diesem vielleicht schönsten aller landwirtschaftlichen Anbausysteme wieder ein Wert zugewiesen werden, der auch wirtschaftlich tragfähig ist. Die Vorbedingungen dafür sind eigentlich günstig, denn Streuobstprodukte haben es in sich! Dass etwa modernen Apfelsorten die Polyphenole (und damit die gesundheitsfördernden Eigenschaften par excellence) weggezüchtet worden sind, wissen noch immer nur Eingeweihte. Und dennoch: Das Interesse am Streuobst wächst wieder. Gerade Menschen aus dem Lager der kritischen und zur Selbstreflexion fähigen Verbraucher wissen den Wert von lokal und naturschonend produzierten, bekömmlichen und dabei schmackhaften Nahrungsmitteln längst zu schätzen. Die Nachfrage ist gerade in der Großstadt vorhanden. Handgemalte Äpfel und Steinkäuze auf den Etiketten von Saftflaschen sind beim Marketing allerdings eher von gestern. Was heute zählt ist vielmehr, den hochwertigen Erzeugnissen ein neues, zeitgemäßes Image zu verpassen.

Bei ihrer Erhaltungsarbeit auf den Streuobstwiesen von Leverkusen und Köln legt die Naturschutzstation großen Wert darauf, Erzeugnisse herzustellen, die als geschmackvolle Botschafter für den Naturschutz an den Konsumenten weitergegeben werden. So werden jedes Jahr Streuobst-Säfte gekeltert und verkauft. 2019 konnten erstmalig auch in Köln rund 3000 Liter Apfel-Birnen-Saft hergestellt werden.

Der Streuobst-Saft in den Fünf-Liter-Kartons ist heiß begehrt und auf Anfrage in der Station erhältlich. In den kommenden Jahren soll die Produktpalette auch um Tafelobst und Obstbrand erweitert werden.

 

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