Streuobst-was?

Streuobst

Streuobst-was?

Von Baumgärten und Obst-Prairien

Renaturierte Streuobstwiese in Köln-Langel (lrh.) im Spätfrühling, kurz vor Beginn der Wiesenblüte. Eine Vielzahl von Kräutern reckt sich zum Licht. Bild: Volker Unterladstetter

Streuobstwiesen stellen ein traditionelles Anbauverfahren im Obstbau dar, bei dem die Krone der Obstgehölze erst in einer Stammhöhe von ca. 1,80 m ansetzt. Dadurch bleibt unter den Baumkronen genügend Platz, um die Fläche auch zum Anbau von Viehfutter zu nutzen. Solche Zweinutzungskulturen wurden früher als Baumgärten (rheinisch Bongerte) bezeichnet. Traditionell wurden im Rheinland viele Streuobstwiesen durch Nutztiere wie Schafe oder Rinder beweidet (Sprachpuristen sprechen in diesem Fall von Streuobstweiden). In anderen Regionen Deutschlands war aber auch eine Heuwiesennutzung üblich, bei der das Gras mit der Sense geschnitten wurde und als Heu den Haustieren später im Jahr als Winterfutter diente. So entstanden unter den Obstbäumen allmählich blumenreiche Wiesenfluren, die zuweilen Obst-Prairien genannt wurden (von französisch prairie = ‚Wiese‘).

In alle Winde verstreut – aber was eigentlich?

Der Begriff Streuobstwiese führt oft zu einiger Verwunderung. Was soll denn da eigentlich verstreut sein? Sind es die Bäume, die scheinbar wahllos in die Landschaft gepflanzt werden? Oder hat es etwa mit dem Wiesenschnitt zu tun, der früher als Einstreu im Stall verwendet worden ist? Sprachgeschichtliche Untersuchungen haben gezeigt, dass nichts davon zutrifft. Die sprachlichen Ursprünge des Begriffs lassen sich bis ins 19. Jahrhunderts zurückverfolgen. Seither hat die Bedeutung des Wortes „Streuobst“ eine ebenso wechselvolle Geschichte erfahren wie die Baumgärten selbst. Zu Beginn der Geschichte diente er rein deskriptiv als Lagebezeichnung: Obstbäume wurden „in Streulage“ um die Dörfer und Höfe angebaut. Damit war die unmittelbare Umgebung der Dörfer gemeint. Erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts wandelte sich die Konnotation. Nun war immer öfter von Obstbäumen die Rede, die in der Landschaft „verstreut“ wuchsen. Dieser „Streuanbau“ bzw. die „Streupflanzung“ wurde zunehmend kritisiert. Zu unrentabel galt vielen Autoren nun die alte Art der Hochstammkultur. Doch auch in dieser Bedeutung wurde nicht von verstreut stehenden Einzelbäumen gesprochen, sondern von Baumbeständen, die über die Landschaft verstreut standen. Im Zuge der Rodungsaktionen und der immer stärker in den Vordergrund tretenden Niederstammwirtschaft entstanden dann spätestens in den 1970er Jahren die heute bekannten Bilder von Altbeständen, in deren Reihen immer öfter Lücken klafften. Ohne Pflege und nachgepflanzte Jungbäume standen die übrig gebliebenen Altbäume nun tatsächlich verstreut in der Gegend herum.

Streuobstwiese im Abendrot

Streuobstwiese in Leverkusen-Atzlenbach im Licht der untergehenden Wintersonne. Rechtzeitig nachgepflanzte Jungbäume stehen bereit, die alten Baumveteranen abzulösen. Bild: Hans-Martin Kochanek

Ein Imagewandel mit Folgen

Doch die Reaktion auf den Zeitgeist der Flurbereinigung ließ nicht lange auf sich warten: Sie kam in Form der ersten modernen Naturschutzbewegung. Schnell erkannte man eben diese alten Obstbestände als wertvolle Elemente einer schwindenden Kulturlandschaft, die zahlreichen selten gewordenen Tierarten wie Wendehals und Steinkauz einen Lebensraum boten. Der alte Begriff „Streuobst“ wurde erneut uminterpretiert und verband sich schließlich zusammen mit dem Wort „Wiese“ zur Streuobstwiese – unter den Naturschützern nun ein eindeutig positiv konnotierter Begriff der Wertschätzung. Ob die ursprüngliche Bedeutung der Silbe „Streu“ zu dem Zeitpunkt noch bekannt war, ist nicht gewiss. Jedenfalls ging die Idee von den Obstkulturen in Streulage in der Folgezeit relativ schnell verloren. Heute findet man meist nur noch die eingangs beschriebenen Erklärungen für den Begriff „Streuobstwiese“. So hat letztlich jede Epoche dem Wort Streuobst eine neue Geschichte hinzugefügt. Wie wird wohl einst die nächste lauten?

Wer mehr zur Sprachgeschichte des Begriffs Streuobstwiese lesen möchte, dem sei der lesenswerte Artikel von Gerhard Weyers aus dem Jubiläumsheft des Pomologen-Vereins von 2017 ans Herz gelegt.

 

Bestandserfassung

Streuobst

Bestandserfassung

Den Bäumen unters Blätterkleid geschaut…

Dass Streuobstwiesen eine Welt im Rückgang sind, ist allgemein bekannt. Doch wie geht es den einzelnen Flächen in Leverkusen und Köln wirklich? Wieviele Altbäume stehen noch? In welchem Pflegezustand befinden sie sich? Wo stehen welche Obstarten, wo haben alte selten gewordene Sorten überlebt? An welchen Bäumen und auf welchen Flächen haben sich biologisch wertvolle Strukturen wie Baumhöhlen oder Totholzbereiche mit Insektengalerien ausgebildet? Diese und weitere Fragen stellen sich die MitarbeiterInnen der Naturschutzstation im Rahmen von Kartierungen und Bestandserfassungen. Dabei spielen durchaus unterschiedliche Aspekte eine Rolle: Neben den Fragestellungen im Bereich Arten- und Biotopschutz geht es auch um den Erhalt der alten Sortenvielfalt bei den Kulturobstgehölzen.

Sorten-Etikett verschwunden? Notizen verlegt? Kein Problem: Die punktgenaue Erfassung der Obstbäume im GIS-Verfahren sorgt für eine lückenlose Dokumentation sämtlicher Pflanzmaßnahmen.

Neben der klassischen Geländearbeit mit Klemmbrett und Kamera spielt die moderne Datenverarbeitung von georeferenzierten Datensätzen (GIS) eine entscheidende Rolle. Zusätzlich zur Erfassung von Basisdaten wie Lage der Fläche, Anzahl der Bäume, Alters- und Vitalitätsklassen in einem kommunalen Streuobstwiesen-Kataster werden auch baumgenaue Punktdaten erhoben und verarbeitet. So konnten im Rahmen von Kartierarbeiten in Köln bisher über 1.700 Obstbäume aller Arten und Altersstufen erfasst werden. Diese Bäume werden mit Hilfe von Luftbildern und topographischen Karten punktgenau auf den Flächen lokalisiert. Damit ist zum ersten Mal eine exakte Erfassung und Dokumentation aller nachgepflanzten Jungbäume auf dem Kölner Stadtgebiet möglich. Anhand von pomologischen Untersuchungen kann in den kommenden Jahren die Sortenechtheit der erfassten Bäume überprüft werden. Das Kölner Obstbaumkataster ist somit ein entscheidendes Werkzeug für das stadtweite Management der vorhandenen Sortenvielfalt.

 

Ehemalige Kiesgruben

Geschützte Gebiete

Thielenbruch

Geschützte Gebiete

Impressionen aus dem Thielenbruch

Kölner Rheinaue

Geschützte Gebiete

Impressionen

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