Von fetten Wiesen…

Kunterbunte Fettwiese im Frühsommer. Es posieren Zaun-Wicke, Scharfer Hahnenfuß, Spitz-Wegerich und Wiesen-Bocksbart. Bild: Volker Unterladstetter
Wie eine Wiese floristisch beschaffen ist, wird maßgeblich durch den Bodentyp, das Klima und die mittlere Höhe des Grundwassers beeinflusst. Auf Standorten mit tiefgründigen Braunerdeböden (z.B. den Lößböden der linksrheinischen Mittelterrasse) ist die Nährstoffversorgung in der Regel gut ausgeprägt, hier wachsen die sog. nährstoffanspruchsvollen Pflanzengesellschaften der Fettwiesen. „Fett“ meint in diesen Zusammenhang einen guten Boden und ist kein negativer Begriff. Aus den eigentlichen Fettwiesen der vormodernen Zeit wurden in den letzten Jahrzehnten allerdings meist Fettwiesen ganz anderer Art: Dort, wo mit Kunstdünger und Gülle intensive Landwirtschaft betrieben wurde, konnten sich oft nur wenige Kräuter und Gräser halten. Diese „fetten Fettwiesen“ der modernen Agrarindustrie haben mit den alten Fettwiesen kaum noch etwas gemein. Hier darf also ruhig die Nase gerümpft werden.
…und weniger fetten
An Standorten mit anderen Bodenbedingungen, z.B. auf Sandböden oder Rohböden verschiedener Art, entwickelten sich Grünlandgesellschaften, die einst lernen mussten, mit wenigen Nährstoffen auszukommen. In diesem Fall haben sich sogenannte Magerwiesen (oder Magerrasen) gebildet. Sie gehören zu den artenreichsten Wiesentypen und sind heute in besonderem Maße durch Aufdüngung bzw. atmosphärische Stickstoffeinträge bedroht. Tatsächlich hat die „Grüne Revolution“ in der Landwirtschaft zu einer Verschiebung der Begriffe „fett“ und „mager“ geführt. Heute sind selbst magere Lebensräume durch die veränderten Stoffkreisläufe deulich „fetter“ als früher, so dass die Fettwiesen von einst heute eher als Magerwiese durchgehen müssten. Die „mageren Magerwiesen“ der vormodernen Zeit kann sich heute eigentlich niemand mehr so richtig vorstellen.
Aalglatter Wiesenkönig

Trockene Glatthaferwiese im Kölner Bürgerpark. Die langen grazilen Rispen des Glatthafers thronen über den Dingen und wiegen sich bedächtig im Wind. Bild: Volker Unterladstetter
Doch was hat es nun mit der ominösen Glatthaferwiese auf sich? Wir haben bereits gesehen, dass die meisten Pflanzenarten im Grünland in unterschiedlichen Wiesentypen vorkommen. Aber eben nicht alle. Der Glatthafer, ursprünglich wohl ein Franzose mit Migrationshintergrund im 18. Jahrhundert, ist ein wählerischer Geselle. Mit seinen schlanken, hoch aufwachsenden Rispen thront er im Sommer wie ein König über all den anderen Gräsern. Dem Gräserkönig gefällt es allerdings nur auf gut mit Nährstoffen versorgten trockenen bis frischen Böden im Flachland (also den klassischen Fettwiesen). In den Bergen ist es ihm zu kalt, und wenn er regelmäßig von Tieren abgefressen wird, streicht er ebenfalls die Segel. Nach ihm sind daher die typischen Fettwiesen des Flachlands auf nicht allzu feuchten Böden benannt, denn nur dort herrscht er über einen bunten Hofstaat aus Kräutern und Gräsern.
Von den Begriffen Fettwiese, Glatthaferwiese und Co., die allesamt in der Ökologie bzw. in der Vegetationskunde gebräuchlich sind, unterscheiden sich umgangssprachliche Begriffe wie Blumenwiese, Blühwiese oder Schmetterlingswiese. Sie sind nicht trennscharf und werden in der allgemeinen Debatte um die schwindende Artenvielfalt eher dazu benutzt, die ökologische Qualität von Wiesen zu beschreiben. Eine „Blühwiese“ soll halt im Sommer ordentlich blühen, und nicht nur aus Gräsern bestehen. Dieser Wunsch ist gerade im Bereich Garten und Öffentliches Grün völlig in Ordnung. Botaniker und Ökologen werden über diese Begriffe allerdings eher schmunzeln und sich in ihren Fachkreisen weiterhin nach den Glatthafer-, Fett- und Magerwiesen der alten Zeit sehnen.